Heike Drechsler und Frank Busemann sind zwei der besten deutschen Leichtathleten aller Zeiten. Wie sie zur Leichtathletik kamen, was ihre größten Highlights in ihren Karrieren als Sportler waren und wie man Kinder heute für die Leichtathletik begeistert, verraten sie im Interview.

 

Wann habt ihr Eure Leidenschaft für die Leichtathletik entdeckt und gemerkt, dass das Eure „Sportart“ ist?

Heike Drechsler: „Mit zwölf Jahren bin ich in einer klassischen Sportschule gewesen mit ganz viel Sportarten im Angebot. Letztendlich gab den Ausschlag in die Leichtathletik zu gehen meine Sportlehrerin, die auch Leichtathletik-Trainerin war. Sie hat mich davon überzeugt. Besonders gut hat mir die Vielseitigkeit gefallen, ich war tatsächlich ja auch Mehrkämpferin am Anfang. Es war diese Abwechslung, die die Leichtathletik geboten hat. Das war einfach meins. Ich war dann nur schon so gut im Weitsprung, dass ich mich eher auf den Weitsprung spezialisiert habe. Aber trainiert haben wir immer Mehrkampf. Das war wichtig.“

Frank Busemann: „Bei mir ist das eine ganz lustige Geschichte. Ich war ungefähr eine Viertelstunde nach Geburt schon Leichtathlet. Na gut, so jung vielleicht dann doch nicht. Aber mein Vater hat mich noch am Tag meiner Geburt im Recklinghäuser Leichtathletik Club angemeldet. Meine Eltern sind beide Leichtathletiktrainer in ihrer Freizeit und im Hauptberuf Lehrer. Ich bin mehr oder weniger auf dem Sportplatz groß geworden. Meine Eltern haben mich mitgenommen, mich da auf die Wiese gelegt und die anderen haben trainiert. Ich konnte dann immer beobachten, habe in der Weitsprunggrube gespielt, habe Purzelbäume und später Saltos auf der Hochsprungmatte gemacht und konnte dementsprechend auch alles ausprobieren. Wettkampftechnisch habe ich aber erst mit Fußball gestartet. Das habe ich mit sechs Jahren gemacht, weil mein Schulkumpel in einer Fußballmannschaft gespielt hat und ich da mitkommen konnte. Ein Jahr später folgte dann mein erster Leichtathletikwettkampf mit sieben Jahren. Und danach hat mich die Faszination für diese Sportart bis heute nicht mehr losgelassen.“

 

Habt ihr Tipps, um Kinder zu mehr Bewegung zu motivieren?

Frank Busemann: „Natürlich fällt auch mir auf, wie schwer es heute ist, Kinder für Sport zu begeistern. Es wird kaum noch draußen gespielt, so wie es in meiner Kindheit war. Egal ob wir auf dem Fußballplatz gebolzt haben oder auf Bäume geklettert sind – wir waren eben ‚geländegängig‘. Die meisten Eltern lassen ihren Kindern aus Angst vor Verletzungen diese Freiheiten nicht mehr. Die Kinder verlernen teilweise Kinder zu sein und zu bleiben, weil sie in ihrem Kinderdasein nicht gefördert werden. Und da müssen wir einfach Bewegungsangebote schaffen, die im Alltag integriert sind. Im Urlaub suche ich mit meinen Kindern immer flache Steine und mein Mittlerer macht mit diesen dann mit Vorliebe Diskuswerfen, getreu dem Motto: ‚Alle Mann in Deckung!‘. Das macht einen Riesenspaß.“

Heike Drechsler: „Die Leichtathletik ist ja eigentlich die Grundbasis für alle Sportarten, würde ich mal sagen. Man lernt das Laufen, man lernt das Werfen, man lernt auch viele Möglichkeiten der Bewegung, sowie Koordination und Balance. Ich denke mal, dass die Leichtathletik eine schöne Sportart ist, wo man natürlich auch die Techniken lernt, die einen das ganze Leben lang begleiten. Also eigentlich sind wir alle Leichtathleten – gerade im Alltag. Man muss nur den ersten Schritt mal vor die Haustür setzen und dann hat man eigentlich schon den größten Bewegungsparcours.“

 

Ihr seid als Botschafter der Bewegungsinitiative kinder Joy of Moving bei der Sportabzeichen-Tour des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) dabei. Was ist für Euch das Besondere an der Sportabzeichen-Tour?

Frank Busemann: „Es ist ein einfach großes Happening! Alle sind so aufgeregt und die Kids dann abzuholen und ihnen zu erklären, dass die Aufregung vor dem Wettkampf etwas Gutes ist und zu Höchstleistungen führen kann, das macht mir unglaublichen Spaß – und natürlich auch den Kindern. Ich habe bis jetzt bestimmt 120.000 Kinder erlebt und nur fünf haben sich der Sache verwehrt – und der Rest hatte seinen Spaß. Auch die Kinder, die keine Urkunde erhalten haben. Und das beeindruckt mich natürlich auch. Auch wenn Kinder manchmal ganz schön hart sein können, wurden auch die Schwächeren an die Hand genommen. Und genau diese Gemeinschaft, in der nicht nur die Leistung im Mittelpunkt steht, sondern auch das Fair sein, das gegenseitige Unterstützen, das Anfeuern, Trösten und natürlich das zusammen Feiern, das findet sich alles bei der Sportabzeichen-Tour. Und vielleicht geht die eine oder der andere danach ja den Weg zum Sportverein – und da muss dann natürlich die Möglichkeit gegeben sein, das fortzusetzen.“

Heike Drechsler: „Da gebe ich Frank recht. Und ich war auch begeistert von den Stadien. So kleine, schöne, gut gelegene Stadien – das erinnert mich an mein Stadion in Gera, wo ich angefangen habe. Mir gefallen einfach die Angebote für die Kinder, die sich dort austesten und ausprobieren können. Und man hat schon gemerkt, dass die Kinder schon Bewegung und Technik brauchen. Also insbesondere, wenn dann auch anspruchsvolle Disziplinen wie der Hochsprung auf dem Plan standen. Mir hat wahnsinnig gut gefallen, wie motiviert die Kids waren und auch wie dankbar. Das war für mich faszinierend, wie die Kids voller Energie und Spaß mitgemacht haben. Ich habe nur glückliche Gesichter gesehen.“

 

Die Initiative kinder Joy of Moving will Kinder für Bewegung begeistern. Zum Beispiel für die vielseitige Leichtathletik. Wie kann man Kinder an diesen Sport heranführen?

Heike Drechsler: „Ich denke, das fängt schon im Kindergarten an und geht natürlich weiter in der Schule. Wichtig ist, den Kindern Möglichkeiten zu bieten. Deshalb sind neben dem Sportunterricht Projekte wie kinder Joy of Moving so wichtig. Damit schafft man Events, wo die Kinder begeistert sind, vielleicht auch den ‚Start‘ zum Sport bekommen und dann sagen, ‚Ja, das möchte ich auch machen‘. Bis die Eltern die Kinder im Verein anmelden und zum Training bringen. Aber auch Events wie jetzt die Leichtathletik-EM in München sind wichtig. Wenn Kinder das Live im Stadion oder auch im Fernsehen sehen, dann sagen viele, ‚Ich möchte auch wie Gina Lückenkemper sprinten oder wie Malaika Mihambo weitspringen‘. Das sind natürlich tolle Vorbilder.“

Frank Busemann: „Das sehe ich auch so. Die Schönheit dieses Sports muss immer mit Leben gefüllt werden und wenn das nicht transportiert werden kann, fragen sich die Kinder ‚Was soll ich denn da? Da kriege ich vor der Playstation irgendwie mehr Gefühlsausbrüche‘. Und deswegen ist so etwas wie die EM sensationell gut – das war die beste Werbung schlechthin. Dann geht es bei uns in Deutschland nur über Schulen, wo Leichtathletik bestenfalls kindgerecht aufbereitet wird. Wenn man so rumfragt, sagen viele ‚Leichtathletik ist so anstrengend, weil ich da so viel laufen muss‘. 1.000 Meter sind anstrengend, ja. Aber Leichtathletik besteht ja nicht nur aus Langstreckenläufen. Wer ‚Hechler‘ werden will, der kann ‚Hechler‘ werden, aber es gibt noch 15 andere Disziplinen. Da ist für alle etwas dabei. Ob groß, klein, leicht, schwer – Leichtathletik vereint alle. Und das kann keine andere Sportart bieten.“

 

Wenn Ihr auf Eure Karriere zurückschaut. Was war der schönste Moment?

Heike Drechsler: „Ich habe 27 Jahre Leistungssport gemacht, da hat man unglaublich viele Erlebnisse. Aber meine Olympischen Medaillen sind natürlich ganz vorne mit dabei. In meiner Jugend – als ich 14 Jahre alt war – gab es bei uns in der ehemaligen DDR die Spartakiade. Das war ein bisschen wie kleinere Olympische Spiele. Dort hat man ein Trainingsanzug aus der Region bekommen und war unwahrscheinlich stolz. Da war man dann auch im Team mit anderen Sportlern aus ganz anderen Disziplinen. Ich weiß, dass ich da auch meinen ersten Mehrkampf und auch den Weitsprung gewonnen hatte und ich durfte dann zum ersten Mal ein Interview machen. Das haben wir dann abends im Radio gehört und haben uns kaputtgelacht. Diese Erlebnisse, die sind permanent da und es hat mich eigentlich immer wieder angespornt. Das war meine Motivation, weil man einfach Spaß hatte, mit den anderen zusammen diese Erlebnisse zu haben. Man musste nicht unbedingt oben auf dem Treppchen stehen und eine Medaille kriegen. Jetzt bei der EM habe ich ganz viele ehemalige Sportler getroffen. Das ist immer wieder was Besonderes. Man lernt natürlich auch an die Grenzen zu gehen, man lernt sich selber kennen. Man lernt auch, wie man mit Niederlagen umgeht, wenn es mal nicht klappt. Der Sport ist eigentlich die größte Schule, die man haben kann.“

Frank Busemann: „Bei mir ist es ganz klar der Moment, als ich den zweiten Platz bei den Olympischen Spielen geholt habe – das ist und bleibt einfach ungeschlagen. Das war von der Emotionalität, von dem, was ich im Olympischen Dorf und während und nach den Wettkämpfen erlebt habe, unübertrefflich. Aber es war auch der Moment beim Überqueren der Ziellinie und die Erkenntnis, alles geschafft zu haben. Man legt sich dann hin und genießt den nachlassenden Schmerz. Das waren Momente, die ich immer wieder wiederholen wollte. Das geht aber leider nicht und genau das macht es eben so besonders. Und aus diesem Grund ist es für mich die Silbermedaille in Atlanta. Das überstrahlt einfach alles. Oftmals werde ich dann auch gefragt, ob es mich stört, auf diese Leistung begrenzt zu werden, aber mich stört das gar nicht. Im Gegenteil, ich finde es sogar super! Denn der Sport hat so viele schöne Facetten.“